Desertmoto Tunesien-Tour: Arabischer Frühling

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Desertmoto: Tour durch die tunesische SaharaRevolution, Aufstand, Rebellion. Kurz: arabischer Frühling. Seit knapp einem Jahr verändert sich die arabische Welt grundlegend. Für uns, weit entfernt von all dem Trubel, scheint es als bliebe kein Stein auf dem anderen. Und wahrlich, es passiert viel in Tunesien. Ein Reisebericht über ein Land nach der Revolution – und vor dem Neuanfang.

Desertmoto, tunesische Sahara. Unendlich: Dünenmeer in der Weite der Sahara

Aufbruch in das Tunesien nach der Revolution

Es ist der 28. September 2011. Mit gemischten Gefühlen sitzen wir im Bordrestaurant der Fähre ‚Freedome‘. Wie passend denken wir uns. Es ist unsere erste Tour in die tunesische Sahara seit der Revolution. Da ist eine leichte Anspannung im Vorfeld mehr Pflicht als Schande. Und obwohl uns die Überfahrt an die afrikanische Küste indes schon gewohnt vorkommen sollte, ist es diesmal ganz anders.

Desertmoto, tunesische Sahara. Romantisch: das Abendlicht in der Sahara

Kaum ausländische Wüstenfüchse

Normalerweise ist die Fähre voll von Hardcore-Offroadern, die ihr Limit in der kargen Wüste austesten wollen. Oder tunesischen Familien, die ihr gesamtes Hab und Gut auf die kleinsten Autos packen um in die Heimat zu reisen. Heute aber sieht man kaum ausländische Wüstenfüchse sondern fast nur Tunesier und Libyer. Man hat das Gefühl, es ziehe sie in ein befreites Land retour – in ihre neu Heimat. Als wir gegen 17 Uhr den Zielhafen von Tunis ansteuern, regt sich das Feld der Passagiere, es wird hektisch. Jeder will als Erster durch die Zollabfertigung. Unser Lkw mit den Motorrädern und Quads steht ganz hinten, wozu also die Eile? Wir rechnen mit einer Abfertigung binnen der nächsten vier Stunden. Nun, wir irrten, es sollte deutlich länger dauern.

Desertmoto, tunesische Sahara. Einsam: Gegenverkehr muss man kaum fürchten

Das neue Tunesien

Schon bei der Zollabfertigung wird klar, Tunesien hat sich verändert – steckt aber wieder in neuen Kinderschuhen. Wie gewohnt packten wir fleißig bei der Zollabfertigung mit an und machten alle Papiere für die Zöllner klar, damit wir alsbald unsere erste Etappe starten können. Schon nach 1,5 Stunden waren wir fast fertig. Doch der letzte Stempel in den Zollpapieren wurde zum Spies-Routenlauf. Niemand fühlte sich für uns zuständig, kein Zöllner wollte Verantwortung übernehmen. Bevor der Verdacht der Bestechlichkeit aufkam, verdrückte man sich lieber und sagte uns, wir würden für die Absegnung der Papiere einen „Chef Inspektor“ benötigen, also jemanden mit Sternen auf der Schulterkappe. Kurz vor 23 Uhr durften wir endlich das Hafengelände verlassen. Erschöpft, müde und hungrig kämpften wir uns über die Autobahn nach Hamamet und nächtigten dort.

Desertmoto, tunesische Sahara. Big Mama: unverwüstlich – bis auf die Lichtmaschine

Bekannte Gesichter im Touareg-Hotel

Neuer Tag, neues Glück. Es geht in die Sahara, genauer nach Douz wo wir all unsere Sahara-Reisen starten. Satte 650 Kilometer mussten wir mit Lkw und Anhänger abspulen – zur allgemeinen Verwunderung ohne Platten und Panne. Wir checkten im bekannten Touareg-Hotel ein und freuten uns viele bekannte Gesichter zu sehen. In geselliger Runde wurde uns mehrmals gesteckt, dass ohne Ben Ali nun alles besser wird. Auf der Fahrt nach Douz sind uns aber bereits die ersten Veränderungen durch die Revolution bewusst geworden. Mehrmals rieten uns die Einheimischen, ja nicht bei Nacht am Straßenrand anzuhalten und auf gar keinen Fall Tramper oder dergleichen mitzunehmen.


Raubüberfälle

Die Raubüberfälle dürften sich in letzter Zeit wohl gehäuft haben, denn so eindringlich wurden wir bisweilen noch nie davor gewarnt. Das könnte natürlich auch an unserer zweiten Beobachtung liegen: Eine freche, fast schon aufmüpfige Jungend säumt die Straßen. Wir können uns dem Gefühl nicht erwähren, dass viele halbstarke Jugendliche uns absichtlich provoziert haben. Fuhr man früher mit dem Motorrad durch die Dörfer, so wurde man höchstens dazu aufgefordert schneller zu fahren oder ein Kunststück in Form eines Wheelies zu machen. Diesmal jedoch wurde unser Motorradfahrer förmlich gesteinigt mit faustgroßen Gesteinsbrocken. Aber nicht nur unser Biker hatte seine liebe Not mit den selbstbewussten Jugendlichen, auch wir im Lkw mussten ein paar Mal schwitzen.

Desertmoto, tunesische Sahara. Orientierungslos: Schilder sind selten

Revolutionär erstarktes Selbstbewusstsein

Auf dem Weg nach Douz kamen wir bei vielen Schulen vorbei. Man bedenke, dass unser Lkw, liebevoll ‚Big Mama‘ genannt, voll beladen einen stattlichen Bremsweg hat. Doch anstatt die Straße freizumachen, standen die Jugendlichen völlig unbekümmert herum und machten keine Anstalten uns auszuweichen. Vielmehr provozierten sie uns mit angetäuschten Sprüngen vor unseren fahrenden Lkw. Diese eher unangenehmen Erfahrungen waren uns neu. Ob das an dem revolutionsbedingten erstärkten Selbstbewusstsein liegt – wir wissen es nicht, sind aber heilfroh, dass nichts passiert ist.

Desertmoto, tunesische Sahara. Versunken: jetzt heißts buddeln

Probleme mit Bankomaten

In Douz gab es dann gröbere Probleme bei der Bargeldversorgung. Anscheinend legte ein Serverausfall die Bankomaten lahm und so musste man auf die Bank, um an Bares zu kommen. Diese dürften aber die Geschäftszeiten verändert habe: Früher war der Freitag der arabische Sonntag, daher wurde nicht gearbeitet. Heute aber sind die Banken Montag bis Freitag offen, dafür Sams- und Sonntags geschlossen – ein westlicher Wirtschaftshauch?

Desertmoto, tunesische Sahara. Kühlwasser-Verlust: sollte gestoppt werden bei 38° Celsius im Schatten

Die Wüste ruft

Nachdem wir unsere Fahrzeuge „wüstenfit“ gemacht hatten, ging es mit einem Tag Verspätung endlich richtig los. Nach einem schnellen Tankstopp, wo wir lächerliche 500 Liter Diesel und 450 Liter Benzin aufgeladen haben, fuhren wir zum ersten Dünencamp. Nach einer geruhsamen Nacht holte uns am nächsten Morgen die Realität wieder blitzschnell ein. Schweißtreibende 38 Grad und der butterweiche Sand ließen uns schon wenige Meter nach der Campingstelle das erste Mal die Schaufeln herausholen – die Big Mama steckte hoffnungslos fest, trotz dreier Differenzialsperren. Es war ein harter, sandiger Tag und als wir gegen Nachmittag den Tafelberg ‚Tembaine‘ hinter uns ließen und wenig später einen passenden Platz für unser Nachtlager fanden.

Desertmoto, tunesische Sahara. Kühl: ist die Sonne weg, wirds frostig

Abendliche Lagerfeuerromantik

Bei Lagerfeuerromantik hieß es Kraft tanken für morgen und die Fahrzeuge servicieren. Der Plan sah es vor, dass wir die schwierigen Dünen zum ‚Verlorenen See‘ in den nächsten zwei Tagen packen – das anspruchsvollste Stück unserer Tour. Doch wie das Leben so spielt, wurde der nächste Tag zu einer wahren Geduldsprobe. Unser Freund und Tourguide Fathi kletterte in unsere Big Mama und wollte den Reihen-Sechszylinder aufwecken, als dieser seinen Dienst komplett verweigerte – der Lkw sprang nicht an. Mitten in der Sahara begann eine nervenaufreibende Fehlersuche und endete bei der Batterie. Als erfahrene Mechaniker nahmen wir unsere Linhai 600 als Ladegerät für die Lkw-Batterie und speisten diese wieder mit ausreichend Strom. Nach über sechs Stunden hatte die Big Mama Erbarmen mit uns und zündete den Motor. Nach einer eingehenden Prüfung des gesamten Lkws ein niederschmetterndes Ergebnis: zwei defekte Laderegler. Somit war klar, den See können wir vergessen, dafür reicht die Zeit nicht mehr, da wir nun wieder retour nach Douz müssen, um unseren Track zu reparieren.

Desertmoto, tunesische Sahara. Druckkopftopf für Beduinen

Aller Aufbau ist schwer

Glücklicherweise konnten wir in Douz zwei Lim-Regler auftreiben und uns mit etwas Geschick ein funktionstüchtiges Provisorium daraus bauen. Der Plan hat sich derweilen komplett verändert: So schnell wie möglich nach Ksar Ghilane, Locations checken und Routen begutachten und dann alsbald wieder retour nach Tunis um unsere Fähre nach Europa zu erwischen. Nach einer zehnstündigen Tortur nach Ksar Ghilane mit viel graben und buddeln, waren wir endlich am Campingplatz angekommen und parkten uns ein. Als wir aufgefordert wurden uns umzuparken, wollten wir der Bitte selbstredend nachkommen. Doch unser Lkw sprang wieder einmal nicht an – die Batterie war platt. Damit war klar, wir konnten den „Verlorenen See“ nicht mehr kontrollieren und entschieden uns dafür die Reparatur auf den nächsten Tag zu verschieben – der heutige Tag war ermüdend genug.

Desertmoto, tunesische Sahara. Sahara: Sandkiste für Quads

Keine Gefahr

Mit etwas Glück und Können bastelten wir uns aus den zwei verreckten Lima-Reglern eine Funktionstüchtige zusammen und konnten mit dem Lkw in Richtung Douz aufbrechen – diesmal allerdings ausschließlich auf asphaltierten Straßen.
Noch im Hotel kommen wir mit Franzosen ins Gespräch, die uns darüber aufklärten, dass rund um den Verlorenen See alles in Ordnung sei und keinerlei Gefahr besteht. Beruhigter ob dieser erfreulichen Nachricht, fiel uns der Abschied am Samstag von Tunesien wie immer schwer. An der Reling stehend blickte ich auf das Hafengelände zurück und begann zu rechnen: Noch 105 Mal schlafen und dann bist du wieder hier. Ein sehr schöner Gedanke…

Desertmoto, tunesische Sahara. Pause: Lichtmaschine will repariert werden

Desertmoto

In Tunesien blühte der arabische Frühling, ähnlich wie in Ägypten und Libyen, vollkommen auf: Im Januar 2011 probte die Bevölkerung gegen den amtierenden Machthaber Ben Ali den Aufstand. Das Land mit rund 10,3 Millionen Einwohnern ist flächenmäßig in etwa doppelt so groß wie Österreich und grenzt an Algerien und Libyen. Die Landeswährung ist der tunesische Dinar mit einem Umwechselungskurs von 2:1 zum Euro.
Desertmoto, tunesische Sahara. Informationsaustausch unter Wüstenfüchsen Desertmoto hat sich als Offroad-Reiseveranstalter mit jahrelanger Sahara-Erfahrung auf Touren in Tunesien und Libyen spezialisiert. Das umfassend ausgerüstete Organisations-Team um Rodolfo Langer bietet faire All-Inclusiv-Preise und legt Wert auf Teamgeist, und das nicht nur beim Fahren, sondern auch beim geselligen Beisammensein an abendlichen Lagerfeuern in der Wüste.
Die noch freien Termine für 2012 sowie alle weiteren wichtigen Reiseinformationen gibt’s auf der Homepage des Veranstalters.

Desertmoto, tunesische Sahara. Selten: Wolken in der SaharaKontakt: Desertmoto