Zum Auftakt des diesjährigen Jag-den-Wolf-Rennens knallte Petrus mit Blitzen und Regenschauern auf die 35 Piloten nieder. Dann ließ er aber drei wolkenlose Tage folgen, in welchen die Teams der Klasse ‚Adventure‘ unvergesslich viel Spaß hatten und in der Klasse ‚Extreme‘ nur die härtesten Fahrer das Ziel erreichten.
In ihrer sechsten Ausgabe ist ‚Jag den Wolf‘ als Rallye für ATVs im rumänischen Siebenbürgen endgültig zu einem klar getrennten Doppelevent geworden: In der neu bezeichneten Klasse ‚Adventure‘ kann jedermann ein ungefährliches ATV-Abenteuer erleben, während sich in der Klasse ‚Extreme‘ die Könner messen – und die ATVs purzeln.
Vier Tage lang dauerte der Event heuer – vom 25. bis 28. April 2012 –, Austragungsort war das kleine Ski-Resort Baisora in den Bergen, rund eine Fahrstunde von Klausenburg entfernt.
Neu waren in diesem Jahr nicht nur die Sponsoren Energobit, Repsoil, Monster Energy und Coca-Cola, sondern neben dem Austragungsort auch der Austragungs-Modus in beiden Klassen. Kein Trial mehr, kein Nachtrennen, dafür vier volle Tage pures Offroad-Fahren. In der Klasse ‚Adventure‘ gab es keine GPS-Verpflichtung, dafür war die Klasse ‚Extreme‘ nsgesamt schwieriger als je zuvor.
Besonders erfreut sind die Organisatoren vom Großhändler Authentic-Spirit um Oliver Renzler und Mihai Concioiu über das rege internationale Interesse: Niemals zuvor wurde ein ATV-Wettbewerb in Rumänien so stark von ausländischen PilotInnen besucht. Und aus Deutschland kommt dann auch der Sieger in der Klasse ‚Extreme‘ – vor einem Rumänen und einem Schweizer. Das Podium in ‚Open / Adventure‘ hingegen wurde von den Rumänen eingenommen wurde, auch wenn sich die deutschen und Schweizer Teams wacker schlugen.
Schwierigkeitsgrade ‚Adventure‘ und ‚Extreme‘
Seit seiner ersten Austragung vor sechs Jahren ist die Wolfsjagd in Siebenbürgen ein Rennen mit schwierigen UND leichten Kategorien. Doch in den Köpfen der vor allem ausländischer ATV-Freunde hatte sich die Jagd ausschließlich als extrem schwieriges Unterfangen festgesetzt. Daher wurde in diesem Jahr erstmals noch klarer unterschieden: ‚Extreme‘ für die Extremen und ‚Open / Adventure‘ für alle. Während in ‚Extreme‘ ein klar vorgegebener GPS-Track nachzufahren ist, wurde die Streckenwahl in ‚Adventure‘ den FahrerInnen und Teams überlassen.
Jedes Team erhielt für jeden Renntag eine detaillierte Wanderkarte mit 5 bis 12 eingetragenen, markanten Orten. Jeder dieser Orte war auch auf Fotos mit Nummer, ‚Punkteanzahl‘ sowie GPS-Daten abgebildet. Beim Briefing wurden die Unterlagen verteilt und sofort Start gegeben. Einige fuhren sofort los; andere studierten erstmal die Karten und legten eine Strategie fest. Strategie, Orientierung und erst dann Fahrkönnen sowie Geschwindigkeit waren der Schlüssel zum Erfolg.
Jeder angegebene Ort musste mit allen Teilnehmern fotografiert werden – nicht zuletzt damit viele schöne Erinnerungsbilder blieben. Punkte gab es auch für jede SMS-Kurznachricht, welche aus Sicherheitsgründen von den einzelnen Orten an die Organisatoren versendet werden mussten.
Spaß in der ‚Adventure‘-Klasse
Ob Regen, Schnee oder drei Tage Sonnenschein: der Austragungsmodus fand unerwartet positiven Anklang. Alle Open-Fahrer waren begeistert von der Landschaft, den Orten, dem Rennspaß und der komplexen Herausforderung. Deutsche, Schweizer und Rumänen legten sich mächtig ins Zeug, unter ihnen der Pilot einer Can-Am Commander. Über Wiesen und Weiden, in Wäldern und durch Täler suchten die Fahrer nach den markanten Orten wie Wegkreuzen, Almhütten, Schriftzügen auf Bäumen und Wegweisern. Jeden Tag galt es, möglichst viele der unterschiedlich gewerteten Orte bis zur Such-Endzeit gegen 17 Uhr zu fotografieren; danach galten die Orte als nicht gefunden, und es musste noch möglichst rasch zum Finish gefahren werden, schließlich gab es bei Punktegleichheit zusätzliche Zähler für die früher zurückgekehrten Piloten. Am dritten Tag fanden drei Teams alle Orte, ernteten dann aber je nach Rückkehr-Zeit unterschiedlich Bonuspunkte.
Unfälle gab es in dieser Kategorie keine – bis zum letzten Tag. Dem ältesten Teilnehmer des Rennens passierten gleich zwei Missgeschicke: Zuerst überschlug sich der 64-jährige Peter Urs aus der Schweiz durch einen Fahrfehler. Und beim Wenden später vergaß er den eingelegten Rückgang und endete nach einem beherzten Gasstoß mit seiner Can-Am 25 Meter weiter unten im Hang. Zum Glück blieben nur ein paar blaue Flecken, aber dasWrack der Maschine konnte nur mit Motorsäge und zwei Winden geborgen werden.
Den Sieg in der ‚Adventure‘-Klasse haben die rumänischen Teams unter sich ausgemacht – meist gestandene Herren, die den Wettbewerb mit unglaublich viel Spaß und Freude erlebten. Aber auch ein 16-Jähriger war dabei, der robuste Raul Badea, der mit seinem Team, immerhin dem einzigen ohne GPS-Unterstützung, um den Sieg kämpfte und dabei auch noch im schwierigsten Streckenabschnitt von ‚Extreme‘ landete – und diesen langsam aber sicher auch wieder verließ.
Letztendlich hatten die erfahrenen Piloten von Hermanstadt / Sibiu die Nase vorne, knapp gefolgt vom Team aus Tirgu Mures. Für das ohne GPS fahrende Team aus Vulcan reichte es schlussendlich für Platz 3. Siegfried Schüssler, Edu Heymann und die Schweizer rangieren auf den Folgeplätzen, waren aber hellauf begeistert: „Diese Jagd in ‚Open / Adventure‘ ist ideal. Da bleibt viel Zeit zu schauen, die Strecken sind nicht so aufreibend wie in ‚Extreme‘, und das Suchen macht unglaublich Spaß.“
Hardcore in der Klasse ‚Extreme‘
Am Tag 1 war der Himmel schon schwarz, die ersten Regentropfen in der Luft, als pünktlich um 14 Uhr nach ärtzlichen Visiten und dem notwendigen Papierkram zum Massenstart der 18 Teilnehmer in ‚Extreme‘ gewunken wurde. Sekunden später zuckten bereits die ersten Blitze, und es schüttete wie aus Eimern vom pechschwarzen Himmel.
Hohlwege wurden zu kleinen Bächen, aus Brillen gab es kein Durchblicken mehr, und gefühlt wurden die Anstiege noch steiler und länger und die Steige in den dunklen Wäldern noch schwärzer. Schon bald waren die Organisatoren mit allen ihren Jeeps, UTVs und ATVs im Einsatz, um die ersten überschlagenen Fahrzeuge zu bergen.
Beim Checkpoint auf der Hälfte der Strecke ging es zu wie im Hexenkessel. In der Schluss-Diagonalen dort wurde eine Honda kurz vorher zur Kugel, direkt dahinter täuschte sich der bis dahin führende Albert Hommel trotz GPS und landete im aussichtslosen Gelände. Nur die Winde half ihm weiter, aber die Minuten purzelten, und mit der Führung war es dahin.
Im brutalen Anstieg küsste Yeti-Trophy-Gewinner Marco Sturm mit seiner Can-Am 1000 einen Baumstumpf und verbog sich eine Lenkstange, Mitfavorit Mihai Lazaroaie drückte sich einen Reifen von der Felge, dann kugelte die Can-Am 800 des Schweizers Kurt 150 Meter den Waldhang hinunter und blieb zerlegt im Tal stehen. Albert startete mit seinem Kumpel Daniel Kästner zur Aufholdjagd; Vorjahreszweiter Felix Balz schloss sich den beiden an, doch gegen den in seinem ersten GPS-Rennen unerwartet stark fahrenden Radu Lungu aus Klausenburg war nichts mehr zu machen: 18 Minuten Rückstand nach fast 3 Stunden Non-Stop Offroad-Hatz im Regen.
Tag 2
Gutes Essen und frische Luft auf 1.500 Metern Meereshöhe stärkten die Piloten, die pünktlich um 10 Uhr im 2-Minuten-Abstand starteten. Einen steilen Waldsteig ging’s hinunter, dann kurz über eine Forststraße, schließlich eine lange, sehr steile Wiese hinauf, steil über Bäume und Steig zum Bach hinunter; links, rechts und wieder steil hinauf durch den Wald, bis es richtig steil abwärts im Wald ging. Nur die besten fuhren da ohne Hilfe hinunter, andere halfen sich gegenseitig. In der Verfolgungsjagd passierte dem Mitfavoriten Felix Balz ein Fehler. Zack, und schon lag seine Renegade auf der Seite, Felix darunter, kopfüber Hochtouren für 30 Sekunden, und der Motor hatte das Nachsehen.
Einiges später stoppte ein Baum die Podiumsambitionen von Rado Bubenko, dem Vorjahressieger aus der Slovakei: Nach drei Drehungen krachte seine Renegade in einen Baum. Kein Totalschaden, aber doch: vorbei! Vor dem Checkpoint bei Halbzeit machte dann auch die ThunderCat 1000 des Schweizer Magnus Florian einen ungewollten Purzelbaum und blieb etwas angeeckt liegen. Wieder hatten die Organisatoren alle Hände voll zu tun, um einen nach dem anderen aus den Wäldern zu holen. Zum Glück blieb es an allen Tagen bei Schrammen und Brüchen nur an den Geräten, nicht an den Piloten.
Nach Halbweg im Tal ging es wieder hinauf in die Berge: über Wiesen und durch Wälder, durch Schlamm und Schnee zurück bis direkt zum Finish beim Hotel. Wie toll: Start und Finish stets direkt vor der Unterkunft. Kästner und Hommel hatten sich wieder zum Team vereint, konnten auf den wiederum stark fahrenden Lungu aber nur 5 Minuten gutmachen. Michael Webers verzweifelter Kommentar zur Strecke bei Ankunft: „Jag den Wolf war schon bisher extrem – aber das hier ist noch schwieriger! Wer zu sagen wagt, das hier sei nicht total extrem, der soll herkommen und sich das mal anschauen. Und dann den Mund halten.“ Der Eppinger muss es wissen: Seine diesjährige Teilnahme an der Wolfsjagd war bereits seine vierte.
Tag 3
Jetzt waren’s nur noch Acht –ein mit Spannung erwarteter Tag stand an, schließlich wurde er als der anspruchvollste und mit 58 km längste angekündigt. 80 Prozent der Strecke verliefen gleich wie am Vortrag aber in umgekehrter Richtung. Und die neuen 20 Prozent der Streckenführung hatten es in sich. Das stellten auch die auf Sieg fahrenden Hommel und Kästner fest: Obwohl Radu Lungu bald nach dem Start wegen einer Reifenpanne 20 Minuten Zeit verloen hatte, konnte dieser die zwei Deutschen nach einer wilden Canyonfahrt mit schwierigsten Passagen über Stock und vor allem Stein noch vor der Hälfte der Strecke überholen.
Einen Seitenkipper überstand Radu ohne Folgen, doch den heute ebenfalls sehr stark fahrenden Mihai Lazaroie aus Hermanstadt konnte er nicht mehr abschütteln. Im Gegenteil: Auf den leichteren Abschnitten bis zum Finish holten die Deutschen durch schnelles Nachfahren des GPS-Tracks die beiden Rumänen noch ein und konnten sie kurz vor Schluss sogar noch abschütteln.
Dennoch: Die Tagesbestzeit fuhr knapp Mihai Lazaroaie, der 12 Minuten nach dem Gesamtführenden gestartet war aber ansonsten wegen der Vortage noch weit hinten lag. Der Vorsprung Lungus auf die Deutschen war allerdings auf 6 Minuten geschrumpft – nach 4 Fahrstunden heute und insgesamt 3 Renntagen.
Konstant wie immer die Leistung der Schweizer und weiteren Rumänen, die allerdings nicht an die Fahrzeiten der Führenden anschließen konnten. Aber was gilt bei Jag den Wolf? Sieger ist, wer nach VIER Tagen ins Ziel kommt. Und obwohl heute der schwierigste Tag anstand, mussten die Organisatoren nicht ein einziges Mal ausrücken. Es waren wohl nur die besten übrigbelieben…
Tag 4
Der letzte und alles entscheidende Tag stand an: 6 Minuten Vorsprung des Führenden, 56 Kilometer to go. Wiederum Start alle 2 Minuten, wiederum Lungu als Gesamtführender vorab. Gegen die Hälfte der Strecke hatten ihn die hervorragend navigierenden Deutschen, die sich nach dem Start immer zum Team vereinten, bereits eingeholt. Doch Radu ließ nicht locker. Er wußte: würde er zeitgleich mit den Deutschen ins Ziel gelangen, hieße der Sieger Lungu. Und das um 4 Minuten. Also nur nicht abschütteln lassen!
Doch dann ging nach einer langen Steigung der Varioriemen an seiner Renegade in Fetzen. Erst nach mehr als 2 Stunden und 40 Minuten konnte Radu seine Fahrt fortsetzen und – zieht man die Reparatur- und Wartezeit ab – Bestzeit fahren. Zu diesem Zeitpunkt waren die Deutschen Hommel und Kästner freilich bereits längst im Ziel. Mit Champagner wurden sie von ihren Freunden und Vätern empfangen, nachdem sie noch ihre Gesamt-Fahrzeit exakt auf die Minute aneinander angepasst hatten, um damit zeitgleich und gemeinsam Sieger zu sein.
Kaum langsamer waren Mihai Lazaroaie und der Schweizer Stefan Boss. Ein weiterer Can-Am-Überschlag im Gelände blieb wieder ohne Folgen für den rumänischen Piloten Marius Oproiu.
Aus und vorbei
The race is over! Aber wie würden die Organisatoren nun werten? Laut Programm war das Tages-Rennende auf 18 Uhr festgelegt. Danach galten alle angefahrenen virtuellen Checkpoints als verfehlt. Wegen eines Missverständnisses wurde das Tages-Rennende beim Briefing am Morgen auf 15 Uhr vorverlegt, und Lungu erreicht das Ziel wegen der Varioriemen-Reparatur erst um 15.20 Uhr. Wäre er ansonsten mit einer Maximal-Strafstunde belegt worden, würden es nun zwei Stunden sein. Bei einer Stunde wäre er nach den Deutschen dritter geworden (nach dreitägiger Gesamtführung), bei zwei Stunden fünfter nach Lazaroaie und Boss. Durch die irrtümlicher Weise verkürzte Renn-Maximaldauer wurde das gute System der maximale Strafenzeiten ad absurdum geführt, weshalb gemeinsam mit den Rennfahrern ein Kompromiss gefunden wurde: Die Deutschen auf Platz 1, die Rumänen auf Rang 2 und der Schweizer Boss auf Platz 3.
Es reifte die Einsicht, dass die tägliche Renn-Maximalzeit nicht unter 7 Stunden betragen darf – und der Hilferuf bei den Organisatoren im Falle von technischen Defekten in künftigen Verstaltungen automatisch den Renntag für den anrufenden Piloten beendet. Unabhängig davon, ob die Mechaniker der Organisatoren das Gerät noch auf der Strecke wieder fahrtüchtig bekommen.
Jag den Wolf 2013
Klar, dass es im kommenden Jahr 2013 wieder eine Wolfsjagd in Siebenbürgen geben soll. Ein Termin steht noch nicht fest, voraussichtlich wird ‚Jag den Wolf 2013‘ allerdings wieder Ende April stattfinden. „Der April ist eben der Monat der Wölfe“, weiß Oliver Renzler. x
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